Die Technologie, Gene im Erbgut von Tieren und Pflanzen zu verändern, ist
mittlerweile gut 30 Jahre alt. Ideen für ihren sinnvollen Einsatz sind
vielfältig: Von der Biomedizin über Tier- und Pflanzenzucht bis zur Sanierung
verseuchter Umwelt oder die Eindämmung von Parasiten. Am Menschen sind
genetische Veränderungen höchstens zur Behandlung einzelner kranker Gewebe oder
Organe zulässig. Weltweit ist eine dauerhafte Veränderung am menschlichen Erbgut
über die Keimzellen (Spermien und Eizellen) verboten. Das bedeutet für Träger
einer Erbkrankheit, dass sich auch ihre Kinder im Falle einer Vererbung dieser
Krankheit einer entsprechenden Therapie unterziehen müssen.
Vor ca. 2 Jahren wurde nun ein gentechnisches Verfahren entdeckt, mit welchem
man gezielt ganze Gruppen von Genen auf einmal dauerhaft verändern kann. Dieses
Verfahren wird als Gen-Editieren (Genome Editing) bezeichnet, in Anlehnung an
das Bearbeiten von Texten am Computer. Chinesische Wissenschaftler haben letztes
Jahr eine Linie überschritten, vor der alle anderen Forscher aus moralischen
Bedenken, aus Sicherheitserwägungen und aufgrund gesetzlicher Beschränkungen
Halt gemacht haben: Sie haben das Gen-Editieren bei einem menschlichen Embryo
angewendet und damit eine dauerhafte genetische Veränderung im menschlichen
Erbgut verankert! Diese Embryonen waren allerdings von Anfang an nicht
lebensfähig, es haben sich also keine Babys aus ihnen entwickeln können.
Die Wissenschaftler haben eine erbliche Bluterkrankung repariert, aber
genauso gut könnte man alle anderen menschlichen Eigenschaften, deren genetische
Grundlage bekannt ist, nach Belieben verändern.
In Großbritannien geht man gerade einen Schritt weiter: Es wurde gesetzlich
erlaubt, dieselbe Technologie an gesunden menschlichen Embryonen anzuwenden! Es
leuchtet ein, dass es sinnvoller ist, Gendefekte ein für alle Mal in betroffenen
Familien auszumerzen, als in jeder Generation alle betroffenen Personen zu
behandeln. Aber die Grenze von der Entfernung von Brustkrebsgenen über die
Senkung eines Risikos für Depressionen bis zur erwünschten Haar- oder Augenfarbe
ist fließend. Und die Auswirkungen solcher Manipulationen im Erbgut lassen sich
heute noch nicht ermessen. Die Auswahl eines gesunden Embryos durch die
Präimplantationsdiagnostik, die Testung der Embryonen auf Erbdefekte, ist heute
möglich und wäre der gefahrlosere Weg, vorausgesetzt, es gibt unter den
untersuchten Embryonen gesunde.
Gerade erst wurde gezeigt, dass sich sogar Umwelteffekte wie z.B. die
Ernährung eines Menschen über die Gene bis in die nächste Generation auswirken!
So etwas geschieht unwillkürlich seit Menschengedenken, wir akzeptieren es als
Natur oder Schicksal. Wollen wir aber durch unser aktives Tun die Verantwortung
für solche dauerhaften Effekte auf uns nehmen, wenn wir jetzt gezielt im
menschlichen Erbgut herumstochern?!
Autor
Thomas Kolbe
Fachwissenschaftler
für Versuchstierkunde, Ass.-Prof.
für die Service-Plattform Biomodels
Austria Veterinärmedizinische Universität Wien
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