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ABAKUS

Man nennt mich Professor Abakus. Ich bin ein aufgeweckter und wissbegieriger Junge, den die Welt sehr interessiert. Daher hinterfrage ich oft das Tun und Handeln der Erwachsenen, denn alles verstehe ich nicht. 

Meine Gedanken bringt Birgit Menke, Mitglied des Teams zu Papier.
Darüber bin ich sehr froh.


Mir reicht´s

Gestern habe ich im Fernsehen gesehen, dass es jetzt Milchverpackungen gibt, die in türkischer Sprache beschriftet sind. Sie hier den Anreißertext ein. ...

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Und dass sich viele Erwachsene darüber aufregen und diese Milch nicht mehr kaufen wollen. Ich verstehe das nicht. Vielleicht regen sich die Erwachsenen darüber auf, weil keine Türkische Milch in der Verpackung ist. Vielleicht schmeckt die besser.

Ich habe dann meinen Papa gefragt, der mir erklärt hat, dass alle Menschen, die in unserem Land leben wollen, auch unsere Sprache sprechen und deshalb nur deutsch beschriftete Verpackungen auf den Markt gebracht werden sollen.

Die Erwachsenen sind manchmal komisch. Opa sagt immer wie wichtig Sprachen für den Beruf und das gegenseitige Verstehen sind. Ich habe jedenfalls nicht gewusst, dass Milch auf Türkisch „Süt“ heißt. Ich kenne nur das englische Wort. Oma sagt immer „Mili“, obwohl Oma hier geboren ist. Wenn ich zu entscheiden hätte, würde es nur Verpackungen geben auf denen der Name in vielen Sprachen zu lesen ist. Dann wüsste ich, was Vanilleeis auf Italienisch, Schokolade auf Ungarisch und Döner Kebab auf Deutsch heißt. Aber mich fragt ja keiner, wie immer. ier den erweiterten Text ein.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Opa nimmt mich nicht ernst

Die Kampagne für meine „Opa-Verleih-Firma“ steckt noch mitten in der heißen Phase. Wie gesagt, sie steckt. Das hängt sicher mit der Urlaubszeit zusammen, da sind viele Omas und Opas mit ihren Enkelkindern beschäftigt. ...

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Und danach müssen sie erst einmal verschnaufen, sparsam leben und ausschlafen, um dann für den nächsten Einsatz wieder fit zu sein. Ich bin gerne bei Oma und Opa. Mit Opa lese ich in den Ferien die Zeitung und da ist mir ein Absatz ins Auge gehüpft, der genau zu meiner geplanten Selbständigkeit passt und den ich kurz zusammenfasse:

Senioren-Know-How gefragt. Als Senior-Experte können ältere Menschen ihre speziellen Kenntnisse zur Verfügung stellen. Sie stellen ihr Profil auf eine Plattform und Unternehmen oder andere Einrichtungen können die Senior-Experten auf ehrenamtlicher Basis oder gegen eine kleine Aufwandsentschädigung buchen. Einsatzgebiet könnte unter anderem die Schule sein, oder die Nachmittagsbetreuung, aber auch die individuelle Betreuung.

Das hat mich fast von meinem Sitz gehoben, da hat doch tatsächlich jemand meine Idee geklaut. Na ja, vielleicht nicht ganz. Individuelle Betreuung fehlt in meinem Angebot, hört sich aber gut an. Eigentlich genau das Richtige für mich. Ich suche einen Experten, der mit mir das „sich selbstaufräumende Kinderzimmer“ entwickelt. Eine Synchronverbindung, die auf Gedankenanweisung reagiert, die nicht nur aufräumt, sondern mir morgens auch das Frühstück ans Bett bringt.

„Deine Synchronverbindung heißt Mama,“ war der Kommentar von Opa zu meinem schöpferischen Prozess. Das war genau das, was ich nicht hören wollte. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Opa mich nicht ernst nimmt. Und manchmal schaltet er einfach sein Hörgerät ab, wenn ich von meinen Ideen erzähle. Das gefällt mir überhaupt nicht, aber ich werde ja nicht gefragt, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Oma erzählt Geschichten

Nach einer endlos langen Woche bin ich auf dem Weg zu meinen Großeltern. Oma öffnet mir die Türe und nimmt mich in den Arm. Sie riecht immer so gut, so nach warmen Kuchen und Badeseife. ...

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Opa liegt auf der Couch und atmet geräuschvoll durch den offenen Mund. Das weiße Rollo am Fenster ist halb heruntergezogen, das mag Opa, wenn er seinen Mittagsschlaf hält. Trotzdem hüpfen Sonnenstrahlen auf dem bunt gemusterten Ohrensessel hin und her und sekkieren ein zusammengeknülltes Taschentuch, das sich in eine Ecke verdrückt hat, eine zur Seite geklappte Decke und ein Buch.

Ich setze mich und nehme das Buch in die Hand. Damals bei Oma und Opa. Zeitzeugen erinnern sich an ihre Großeltern.

„Was ist ein Zeitzeuge?“ frage ich, als sich Oma mit einer dampfenden Teekanne und einem Teller mit Schokoladenkeksen zu mir setzt. Oma zupft ein Foto aus dem Buch, das als Lesezeichen dient. Das Foto ist aus festem Karton, wie eine Postkarte und zeigt eine Frau mit einem lustigen Strohhut auf dem Kopf. „Das ist die Uroma als junge Frau,“ sagt Oma und streicht mit der Hand liebevoll über das Foto. „Zu der Zeit, als das Foto aufgenommen wurde, gab es noch keinen  Supermarkt. In den kleinen Geschäften, zum Beispiel beim Greisler, wurden wir persönlich bedient und auf der Theke stand meist ein großes Glas mit bunten Zuckerln. Man kannte sich sogar mit Namen. Viele Lebensmittel wurden ohne Verpackung in Schubladen gelagert und erst beim Verkauf die gewünschte Menge abgewogen. Und weil ich diese Zeit miterlebt habe und in meinem Kopf als Erinnerung bewahre, bin ich eine Zeitzeugin,“ erklärt Oma stolz.

„Ich habe auch schon viele Geschichten im Kopf, Oma. Wenn ich jetzt aufschreibe, wie lustig es war, als du Opas Gebiss und Opa dein Gebiss……“

„Keine gute Idee,“ meint Oma. Ich soll warten, bis ich auch ein Gebiss habe. Ich will aber jetzt schon Zeitzeuge sein, aber ich werde ja nicht gefragt, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Opa macht sich aus dem Staub

Es gibt Tage im Leben, die mir nicht gefallen. So ein Tag ist heute, denn heute muss ich mein Zimmer aufräumen, damit Papa den Staubsauger in jeden Winkel des Raumes schieben kann. Und Papa ist sehr gründlich. ...

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Das heißt für mich, alle Kleinteile einsammeln, die sonst mit einem kurzen klackenden Geräusch im Staubsaugerbeutel verschwinden werden. Meist auf Nimmerwiedersehen. Ich mag den Staub, ich mag auf dem Bauch liegen und den Staub hin und her pusten. Und wenn der Staub im Sonnenschein in der Luft wirbelt, mag ich das auch. Ich stelle mir dann vor, wie die Elfen zaubern und fröhlich im Elfenstaub tanzen um uns alle zum Niesen zu bringen.

Wenn der Staub sich heimlich auf dunkle Möbel setzt, kann ich wunderbar malen. Ich nehme beide Zeigefinger und male Kringel in den Staub. Dabei habe ich die Augen geschlossen und in meinem Kopf wachsen dann meist bunte Bilder. Manchmal sehe ich einen großen Garten mit einer bunten Hängematte und einem sprechenden Baum der herumläuft, mich trägt und durch die Luft wirbelt. Ein hoher dichter Baum, auf dem ich auch wohnen kann.

Und unten am Boden wachsen viele bunte Blumen und ihr Blütenstaub wird in mein Zimmer geweht, alles duftet und es bildet sich ein weicher Teppich, auf dem wir alle gerne liegen.

Und das soll heute mit einem Schlag vorbei sein.

Ich rufe Opa an, der immer gute Ideen hat. Opa erzählt mir, dass Oma dem Staub gar keine Chance gibt, sich gemütlich nieder zu lassen. Und Opa weiß gar nicht mehr genau, wie Staub ausschaut. Wenn Oma mit dem Staubtuch durch die Wohnung düst, verkrümelt sich Opa. Oma ist dann nämlich nicht zu bremsen und nutzt jede Gelegenheit, auch Opa abzustauben. „Tut mir leid,“ sagt Opa, „da kann ich dir nicht weiterhelfen.“

„Du kannst schon mal starten,“ sagt Papa, nachdem ich das Telefonat beendet habe und drückt mir den Staubsauger in die Hand.

Wieso ich? Mich stört der Staub überhaupt nicht, aber mich fragt ja keiner, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Frohes Fest und viel Vergnügen

Die Menschen strömen durch die Einkaufspassage, ständig in Eile, hören wir die Stimme des Radiosprechers. „Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen? ...

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Schreiben Sie Weihnachtskarten? Keine? Wie schade. Und jetzt der Herr mit dem grauen Hut. Haben Sie einen Moment… Wirklich? Das ist ja interessant. Die ersten seriengefertigten Weihnachtskarten wurden 1843 in London gedruckt. Und eine dieser Karten wurde 2001 bei einer Auktion für 22.250 Pfund verkauft. Unglaublich. Illustrator John Callcott Horsley? Nein, nie gehört.“

„Was für eine Summe,“ sagt Oma. „Mich würde interessieren, welches Motiv diese Karten hatten. Es gibt auch jetzt noch schöne Weihnachtskarten, mit glitzernden Schneemännern, Rotkehlchen auf schneebedeckten Briefkästen, selbstgebastelte Karten und die, die nie verschickt werden. Davon haben wir auch noch einige in der Schublade liegen.“

„Das sind doch nur Reservekarten,“ antwortet Opa. „Es ist aber in der heutigen Zeit schon etwas Besonderes, wenn man eine persönliche Weihnachtskarte bekommt, auf der mehr steht als Frohe Weihnachten wünschen Sophie und Joe. Es sind aber nicht nur die Weihnachtskarten, auch Geburtstagskarten oder Urlaubsgrüße ohne SMS, Mail oder Whats-App. Vielleicht sollten wir uns selbst Gedanken machen und ein kleines Gedicht schreiben.“

Spontan rumpelt es in meinem Kopf und ich lese leise in meiner imaginären Bibliothek die folgenden Zeilen: „Weihnachten ist die Zeit des Schenkens und möge es euch gelingen, mir Weihnachtsfreude mitzubringen.“

Das gefällt mir. Doch tief im Inneren spüre ich schon jetzt, dass das so nicht gut ankommen wird, aber ich werde sicher nicht gefragt, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke / Dezember 2015

 

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Mit dem Herzen denken

"Abakus?“ Ich höre ein Klopfen an der Tür und Mamas Kopf schiebt sich durch den sich öffnenden Spalt ...

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„Abakus, wir essen in…….was ist denn hier los?“ Jetzt steht die Tür sperrangelweit offen. Auch Oma betritt Sekunden später neugierig den Raum, mit Jule im Schlepptau. „Was schaut ihr denn so,“ frage ich.

„Du musst zugeben, dass es schon sehr verdächtig ist, wenn du freiwillig deine Sachen wegräumst. Es liegt nichts mehr auf dem Boden und die Spielkiste, die war noch nie so ordentlich aufgeräumt. Na bumm, der Mülleimer ist auch randvoll. Woher hast du denn den Haufen rostiger Schrauben und so viel Bonbonpapier, die krummen Nägel und…….ah, da ist ja auch das Fotoalbum, das ich schon die ganze Zeit vermisse.“

„Den kleinen Holzschrank werde ich noch leerräumen und unter das Fenster schieben. Dann die Wand in einer poppigen Farbe streichen und auf den freien Platz lege ich eine Matratze. Eine blaue. Die muss ich noch kaufen. Mit dem Geld aus dem Sparschwein.“ „Cool,“ sagt Jule. Mama schaut mich fragend an. „Eine Matratze? Was willst du mit einer Matratze? Magst du nicht mehr im Bett schlafen?“

„Doch, ich werde im Bett schlafen und der Junge auf der Matratze. Oder umgekehrt.“ „Welcher Junge?“ „Ein Junge, der vor dem Krieg flüchten musste. Mit dem werde ich das Zimmer teilen, bis er wieder zu Hause wohnen kann. Papa hat gesagt, dass wir alle helfen müssen.“

Meine Idee ist sehr beeindruckend, sagt Mama beim gemeinsamen Essen in unserer gemütlichen Familienrunde. Aber nicht so einfach umzusetzen. Vorher muss es noch einige Überlegungen geben, damit das Zusammenleben dann auch funktioniert. Und es gibt noch eine bürokratische Hürde, die zu bewältigen ist. Immer ist alles so kompliziert. Ich finde, helfen müsste viel einfacher sein, aber mich fragt ja keiner, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Glück ist in der Seele zu Hause

Die Welt der Kinder und nicht nur die der Kinder ist in Ordnung, solange sich so manche Erwachsene nicht einmischen ...

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... bzw. das Schiff steuern. Krieg, Hunger, Kinderarbeit, Obdachlosigkeit und Ausbeutung sind allgegenwärtig in unserer Welt und nur einige Beispiele einer nicht enden wollenden Aufzählung mit Konfliktpotential. In unserer Klasse ist klar, dass wir Kinder das so nicht wollen und eine eigene Lobby brauchen. Das ist schon lange überfällig, denn viele Entscheidungen, die heute getroffen werden, müssen wir später ausbaden.

Das war schon immer so und wir haben trotz langer Diskussion nicht verstanden, dass viele Kinder der früheren Generationen, die wie wir erwartungsvoll in die Zukunft geschaut haben und die Welt lebenswerter machen wollten, dann Erwachsene wurden, die Entscheidungen trafen, an deren Folgen die späteren Generationen noch zu tragen haben.

Da alles mit kleinen Schritten beginnt, gibt es in jedem Jahr vor Weihnachten in unserer Klasse eine demokratische Abstimmung über ein Projekt für Hilfsbedürftige. Und Hilfsbedürftige gibt es überall. Wir waren uns einig, dass alle Kinder, die über Taschengeld verfügen, etwas davon abgeben. Die anderen Kinder bringen Tee in einer Thermosflasche, Tassen oder eine warme Decke, Mütze, Handschuhe oder andere nützliche Dinge mit, die zu Hause nicht mehr gebraucht werden. Von dem gesammelten Taschengeld kaufen wir Weihnachtskerzen und Streichhölzer. Diese Dinge verteilen wir dann an obdachlose Menschen. Und wir reden miteinander und hören zu, wenn uns jemand etwas erzählen möchte.

Das kostet nichts. Wenn ich zu entscheiden hätte, würden alle Kinder ihre Vorstellungen und Wünsche für eine bessere Welt aufschreiben und aufbewahren um sich dann als Erwachsene vielleicht zu erinnern. Aber ich werde sicher nicht gefragt, wie immer.

Ghostwriter: Birgit Menke

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Tag der Rothaarigen

Im Herbst gab es einen „Rothaarigen-Tag.“ Ich war nicht eingeladen, obwohl meine Haare einen rötlichen Stich haben, und diesen Farbschimmer habe ich von meinem Opa geerbt. ....

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"Nur sehr wenige Menschen haben naturrote Haare", hat mir der Opa erklärt, der als Kind sehr unter seiner Haarfarbe gelitten hat. „Feuerkopf, Rotmappe oder der Dachstuhl brennt“, haben die Kinder gerufen, wenn sie meinen Opa gesehen haben und dann sind sie hinter ihm her, um ihn zu verprügeln. Opa war dann immer sehr wütend, aber auch unglücklich, weil er das „schwarze“ Schaf war. Und das alles wegen einer Haarfarbe, die ohne sein Zutun den Weg auf seinen Kopf gefunden hatte.

Um doch anerkannt zu werden, hat Opa sich beim Fußball spielen immer besonders eingesetzt und für seine Mannschaft die meisten Tore geschossen. Das machte seine „Kameraden“ dann neidisch, zumal Opas Einsatz in der Dorfzeitung besonders hervorgehoben wurde. Opa ist immer noch sehr stolz und hat die Zeitungsartikel und eine rote Haarsträhne aufgehoben.

Ich finde die Geschichte sehr traurig. In meiner Klasse hat niemand rote Haare, aber es gibt Kinder mit dunkler Hautfarbe. Einige Kinder haben helle Haare und manche tragen eine Brille. Und ein ganz dicker Junge ist auch in meiner Klasse.

„Es wird immer schwarze Schafe geben“, hat Opa gesagt. „Und es wird immer Menschen geben, die bestimmen, welche Schafe schwarz sind.“ Das finde ich ungerecht, aber ich werde ja nicht gefragt, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Opa bekommt die rote Karte

Heute hat Opa mich von der Schule abgeholt und mir plötzlich vor meinen Klassenkameraden einen Kuss gegeben. Opa ist so peinlich ...

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Es wird Zeit, dass ich einen Selbstverteidigungskurs belege um Opa in den Griff zu bekommen. Opa darf mich ja küssen, aber nicht so oft und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Es gibt Regeln, an die sich auch Opa halten muss. „Ich möchte aber nicht immer die Regeln befolgen,“ sagt Opa und denkt gar nicht daran, sich bei mir zu entschuldigen. Überhaupt ist Opa heute besonders übermütig. Sicher weil Oma im Bridgeclub ist und Opa ein paar Stunden sturmfreie Bude hat und nicht das tun muss, was Oma sich gerade ausdenkt.

„Was gibt es denn zu essen,“ frage ich, als sich Opa in der Küche zu schaffen macht und stelle mich zu ihm. Opa hält mir triumphierend eine Schüssel dampfender Spaghetti mit roter Sauce unter die Nase. „Hm, schaut lecker aus.“ Noch schnell die Hände waschen und schon sitzen wir am Tisch. „Opa, du hast das Besteck vergessen.“ „Habe ich nicht,“ sagt Opa. „Wir werden einfach mit den Fingern essen. So wie die alten Römer.“

Nach kurzer Zeit sind Opa und ich schon völlig besprenkelt mit der roten Sauce. Ich sauge jede einzelne Spaghetti in den Mund, die Sauce spritzt über den Tisch und wir lachen die ganze Zeit. Auch der Fußboden hat bald ein neues Muster. Opa findet das lustig und hängt sich gerade eine Nudel an das linke Ohr, als wir die Eingangstüre hören und Oma überraschend nach Hause kommt.

Jetzt bin ich auf dem Weg nach Hause. Ob ich Opa jemals wiedersehen werde, weiß ich nicht. Ich finde, dass Essen mit den Fingern viel mehr Spaß macht, als mit Besteck. Aber ich werde ja nicht gefragt, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Das verstehe ich nicht

Vor einigen Wochen hat Opa in der Straßenbahn eine Unterhaltung mitbekommen. Es ging darum, dass Europa als Gemeinschaft keine Zukunft hat. ...

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Und dass sich viele Menschen nicht für Europa interessieren. „Europa ist deine Zukunft,“ hat Opa schon oft zu mir gesagt. Opa findet die Idee, „Gemeinsames Europa“ sehr spannend und kann sich nicht vorstellen, dass dieses Thema bei anderen Menschen nicht auch Neugierde und Aufmerksamkeit hervorruft. „Ich werde das herausfinden,“ habe ich zu Opa gesagt und den Plan gefasst, Erwachsene zu Europa zu befragen. Ich habe fünf Fragen vorbereitet, mir dann ein paar Tage später vor einer Eisdiele einen Platz gesucht, meine Fragen gestellt und die richtigen Antworten mit einem grünen Kreuz und die falschen mit einem roten Kreuz in meinem Block vermerkt.

Es gab folgende Reaktionen: Einige haben alle Fragen richtig beantwortet. Einige wollten die Fragen nicht beantworten und haben gesagt, dass ich sie in Ruhe lassen soll, weil sie das nicht interessiert. Einer hat Klugscheißer zu mir gesagt. Einige haben mich ignoriert und sind weitergegangen. Eine Frau wollte ablenken und mich auf ein Eis einladen. Und zwei Erwachsene haben drei Fragen und drei Erwachsene haben vier Fragen richtig beantworten können.

Folgende Fragen habe ich gestellt: 

  • Wie viele Sterne hat die Flagge der EU?
  • Welches Motiv ist auf jeder Rückseite eines Euroscheins abgebildet?
  • Wo steht das Europaparlament?
  • Aus wie vielen Bundesländern besteht Österreich?
  • Woher kommt der Kaiserschmarren?

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Faule Erdbeeren

Eine Weile sind Opa und ich noch im Sessel sitzen geblieben. Was für ein Spiel. Mal abgesehen von den ständigen Kommentaren, die Oma unentwegt in den Raum wirft. ...

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„Autsch, das hat sicher weh getan. Schau dir das an, wie gemein. Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Und das sind nur drei Beispiele aus ihrem unerschöpflichen Repertoire, das unser Fußballvergnügen zunehmend auf eine harte Zerreißprobe stellt.

„Gelegentlich muss ich Oma recht geben,“ sagt Opa, als wir wieder alleine sind. „Veranstaltungen in dieser Größenordnung kosten ein Vermögen. Allein die Sicherheitsvorkehrungen in Zeiten wie diesen. Zusätzlich die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die nichts, aber auch gar nichts mit Fußball und den Fußballbegeisterten zu tun haben. Die Verletzten, vor allem die betroffenen Polizisten, der damit verbundene Arbeitsausfall, die Sachbeschädigungen, alles eine große Belastung für die Steuerzahler.“

„Stellt sich die Frage, ob solche Veranstaltungen, die den Europäischen Gedanken der Gemeinsamkeit und das friedliche Zusammenleben der Menschen und Völker in Europa fördern sollen, überhaupt noch einen Sinn haben,“ wirft Oma ein, die mit einem Teller voll Erdbeeren den Raum betritt. 

„Warum machen die Menschen das?“ frage ich. „Das ist schwierig zu beantworten,“ erwidert Opa. „Es gibt sicherlich völlig unterschiedliche Beweggründe. Unzufriedenheit, Lust am Zerstören, ich weiß es nicht, da müsste man jeden einzeln befragen. Der Sport spielt dabei sicher keine bedeutsame Rolle.

Nachdenklich schiebe ich eine Erdbeere in den Mund. Vielleicht haben diese Menschen ein Miteinander nicht gelernt. Wenn ich zu entscheiden hätte, würde es „Soziales Verhalten“ als Pflichtfach in allen Schulen geben und das nicht nur in Europa. Aber ich werde sicher nicht gefragt, wie immer. 

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Familie Sammelleidenschaft

Es regnet. „Endlich,“ sagt Oma erfreut. „Sollen wir Fotos schauen?“ Jule rennt ohne eine Antwort abzuwarten zum Schrank ...

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Oma hat einen großen Schuhkarton, in dem sie ihre Fotos aufbewahrt. Die meisten davon sind glänzende schwarz-weiß Fotografien.

„Urgroßoma hat ihre Fotos auch in einem Schuhkarton aufgehoben. Ich kann mich noch erinnern, dass wir als Kinder auch gerne darin gestöbert haben,“ erzählt Opa. „Spannend waren immer die Geschichten zu jedem einzelnen Foto. Und die Frisuren damals, wir trugen fast alle eine Halb-Pony-Frisur, ganz gerade geschnitten, wie ein Abreißkalender. Und viel Selbstgestricktes aus Wolle, ordentlich gekratzt hat das auf der Haut. Einen Karton gab es, in dem alle Ansichtskarten gesammelt wurden. Einen mit Münzen aus aller Welt, mit Lire, Filler, Pfennigstücken, Centime und vielen anderen Währungen, die es heute gar nicht mehr gibt. Und nicht zu vergessen, die Schuhkartons mit den Geburtstagskarten, natürlich nur die besonderen, aber davon gab es eine Menge im Laufe der Jahre.“

„Apropos Schuhkarton“, sagt Mama. „Wir können bald wieder beginnen, einen Karton mit Weihnachtspapier zu bekleben. Wir machen doch wieder mit bei der Aktion? „Weihnachten im Schuhkarton“, ist doch immer wieder eine besondere Überraschung. Und irgendwo wird sich ein Kind sehr darüber freuen.“

„Was sind Centime?“ versuche ich vom Thema abzulenken. „Und habe ich schon einmal erwähnt, dass ich auch Münzen sammle.“ „Ja, aber nur Euro,“ antwortet Papa. „Abakus, hilfst du mir dann beim Kleben?“ Mama schaut mich fragend an. Ich überlege angestrengt und lege demonstrativ meine Stirn in Falten.

„Es wäre doch toll, wenn man zu jedem Paar Winterschuhe, das man in einem Schuhgeschäft kauft, einen Weihnachtsschuhkarton bekommen würde. Mit Sternen und Tannenzweigen oder roten Äpfeln. Dann ist es vorbei mit der Kleberei, aber mich fragt ja keiner, wie immer.“

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke / September 2015

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Gesunde Nachbarschaft

Professor ABAKUS ...

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Neben unserem Garten gibt es ein völlig verwildertes Grundstück. Es ist so dicht bewachsen, dass man nicht zur nächsten Straße sehen kann, außer im Winter, wenn die letzten Blätter gefallen sind. Ich mag das, so unaufgeräumt und geheimnisvoll. Wenn wir sehr leise sind sehen wir dort manchmal Rehe, versteckt im Gebüsch. Unzählige Kohlmeisen mit schwarzem Bauchstrich, Buntspechte, Rotkehlchen, Grünfinken, Amseln, Kleiber, die gerne kopfvoran die Baumstämme runterklettern, Rabenvögel und Nebelkrähen leben hier. Auch ein farbenprächtiger Fasan begibt sich in den Morgenstunden auf Nahrungssuche.

„Ein Paradies,“ sagt Opa. „Vor allem für Hummeln, Bienen und was sonst noch kriecht und fliegt. Das Grundstück werden die Besitzer sicher irgendwann auch verhökern. Wie vor ein paar Jahren die kanadischen Pappeln, mit ihrer gewaltigen Krone. Ich habe noch den Gesang der Blätter im Ohr, die die Luft zum Schwingen brachten. Schön war das, auch wenn sich im Herbst riesige Laubhaufen auf dem Rasen getürmt haben. Es dreht sich immer alles ums Geld.“

„Irgendwo müssen Menschen wohnen,“ antwortet Papa, der sich mit der Wildnis plagt, die sich durch alle Ritzen und Löcher einen Weg in unseren Garten sucht.

„Das mit dem Geld und dem Besitz liegt wohl in der menschlichen Natur. Wenn ich zu entscheiden hätte, würde es jeden Tag einen Aufruf geben, verantwortungsbewusst mit Natur und Umwelt umzugehen und sie zu schützen. Wie ein Werbespot, der frisst sich auch ins Hirn. Aber ich werde sicher nicht gefragt, wie immer.“

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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Arbeitswelt 2030?

In meinem Kopf schwirren Buchstaben und Worte durcheinander. Wie gehackte Technikteile, die in einer X§A@YP- Ordnungsmaschine aufgrund der Schwerelosigkeit den geschützten Modus deaktivieren. ..

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Es rumpelt und rumst und dann kehrt wieder Ruhe ein. Die Installation der neuen Anti-Ich-Software ist abgeschlossen, die Störung behoben und mein System fährt wieder hoch. Der Chip, der mir nicht nur den Zugang in die Firma erlaubt, sondern auch als Zahlungsmittel dient und die Flexibilisierung der Arbeitszeit rund um die Uhr ermöglicht, wurde mit einem Softwarebeschleuniger oberhalb meines rechten Handgelenks implantiert und mit einer Leuchtdiode versehen.

Durch diese verbindungsprogrammierte Steuerung bin ich individuell einsatzbereit, ob in der Badewanne oder nachts, wenn ich schlafe, ein Knopfdruck und ich bin online und hochmotiviert. Der persönliche Leistungswille des einzelnen ist ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Personalbereitstellungs-Planung der Zukunft.

Und hier wird heute schon vorgesorgt. Jedes Neugeborene erhält einen Chip, der dem Kind mit der Muttermilch verabreicht wird. Je nach Codierung siedelt sich dieser Chip im Körper an. Das soll das Verschwinden von Personen unmöglich machen, aber auch das Alarmsystem der Überwachungsstationen aktivieren, wenn dem Organismus z.B. ungesunde Lebensmittel, wie Süßigkeiten oder Fast-Food zugeführt werden.

Ein zweiter Chip, der zur Einschulung verabreicht wird, kontrolliert die Gedankenentwicklung und reguliert die Konzentrationsfähigkeit. Ein dritter Chip überwacht den ersten und den zweiten Chip und ist als Sonderermittler für eine eventuelle Gefäßreinigung in künftigen Jahren in der Warteposition. Die gängigen Krankheiten des 20.Jahrhunderts, wie z.B. Bluthochdruck und Sehschwäche wurden bereits gentechnisch eliminiert. Das spart Geld, das für die weitere technische Entwicklung zum Wohle der Menschheit wieder eingesetzt werden kann.

„Abakus“ höre ich eine Stimme rufen. Ich zucke zusammen und reiße die Augen auf.

Ganz verstehe ich das jetzt nicht. Kann man wirklich die Kurzsichtigkeit besiegen, indem man die Sehschwäche behebt?

Wenn ich zu entscheiden hätte, gäbe es eine Zukunft für Träume, Geschichten, Wunder und das Einzigartige, aber ich werde sicher nicht gefragt, wie immer.

Professor Abakus
Ghostwriter: Birgit Menke

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